Gefragt – gesagt mit Esther Wenderhold
„Mobilität ist eine Frage der Freiheit und der Teilhabe und damit ganz wichtig für die Lebensqualität.“
Esther Wenderhold ist Mobilitätsmanagerin in Preetz. Dort kümmert sie sich um die Umsetzung des Mobilitätskonzeptes. Und muss hin und wieder erklären, was eine „Mobilitätsmanagerin“ ist. Im Interview verrät sie, wie man Menschen begeistern kann, was frisch gebackene Mobilitätsmanager*innen beachten sollten und die Bedeutung von Vorbildern.
Frau Wenderhold, schön, dass Sie sich Zeit nehmen. Was genau machen Sie und seit wann?
Ich bin seit Februar 2024 bei der Stadt Preetz als Mobilitätsmanagerin tätig. 2022 wurde von der Ratsversammlung das städtische Mobilitätskonzept beschlossen. Es formuliert die übergeordneten Leitbilder auf dem Weg zur klimafreundlichen Mobilität und stellt einen umfassenden Maßnahmenplan auf – und bei der Umsetzung komme ich ins Spiel.
Wie setzen Sie das Mobilitätskonzept in Preetz um?
Das ist gar nicht so einfach, denn mit dem Mobilitätskonzept gibt es sehr vielfältige Bausteine zu koordinieren – von Rad- und Fußverkehr, über den ÖPNV, den ruhenden Verkehr, die Aufwertung öffentlicher Räume bis hin zur E-Mobilität und modernen Mobilitätsangeboten. Und dann ist noch zwischen kurzfristigen Maßnahmen, sogenannten Quick-Wins, mit denen man schnell spürbare Verbesserungen erreichen kann, und langfristigen Maßnahmen zu unterscheiden. Während es wichtig ist, diese Bausteine integriert zu betrachten und zu bearbeiten, hat jeder Baustein doch auch seine individuellen Charakteristiken, Voraussetzungen und Prozesse. Wichtig ist es, Prioritäten zu setzen, diese werden hier unter anderem durch die Politik vorgegeben, da eine Prioritätenliste durch die Ratsversammlung mit dem Mobilitätskonzept zusammen beschlossen wurde.
Als Managerin ist meine überwiegende Rolle die Koordination. Ausgehend von der Prioritätenliste, dem Maßnahmenprogramm, aktuellen Schwachstellen und Anregungen von den Einwohner*innen stoße ich meistens zunächst intern Maßnahmen an und begleite den weiteren Prozess von der Erstellung erster Pläne, der Beteiligung relevanter Akteur*innen bis zur Umsetzung und der Kommunikation. Darüber hinaus bin ich dabei, auf allen Ebenen für das Thema Mobilität und Mobilitätswende zu sensibilisieren.
Wie schafft man es, die Menschen für Veränderungen in Sachen Mobilität zu begeistern? Wie nimmt man die Menschen mit?
Da spielen meiner Meinung nach mehrere Faktoren herein. Zunächst sollte man auf die Bedürfnisse der Menschen nach komfortabler, sicherer und zeitlich effizienter Mobilität eingehen können. Es geht einerseits darum, Vorurteile nachhaltiger Mobilitätsformen argumentativ zu beseitigen. Das kann durch ein gutes Informationsangebot gelingen und Storytelling, indem die vielseitigen Vorzüge des Zufußgehens, Fahrradfahrens, des ÖPNV usw. individuell veranschaulicht werden – alles unter dem Motto: Mobilität erfahrbar machen. Oft hilft außerdem ein Perspektivwechsel. Andererseits muss die Beseitigung der Vorurteile auch rein praktisch bewältigt werden, in dem man gute Bedingungen, ein funktionierendes Angebot schafft und Nutzungsbarrieren abbaut. Das ist ausschlaggebend dafür, ob sich Routinen in der Praxis verändern lassen. Insbesondere im ländlichen Raum, wo die Wege weit sind und unter den bestehenden Bedingungen die Abhängigkeit vom Auto präsenter ist, besteht beim Angebotsausbau für klimaneutrale und sozialverträgliche Mobilität noch viel Potenzial.
Was bedeutet Mobilität für Sie?
Mobilität ist Alltag – für alles, was vor meiner Haustür stattfindet, stellt sich die Frage, wie komme ich dahin, manchmal aber auch: Komme ich dahin? Dann ist Mobilität eine Frage der Freiheit und der Teilhabe und damit ganz wichtig für die Lebensqualität. Mobil zu sein, funktioniert in meinen Augen besonders gut, wenn es ein vielfältiges Angebot gibt und sich verschiedene Fortbewegungsmittel kombinieren lassen. Für meine Wahl eines Fortbewegungsmittels ist mir gleichzeitig auch immer wichtig, möglichst wenig Spuren in jeglicher Hinsicht zu hinterlassen (Flächenverbrauch, CO₂).
Was für Projekte haben Sie seither umgesetzt?
Eine große Rolle hat zunächst das Aufbauen von Strukturen für die neu geschaffene Stelle des Mobilitätsmanagements und das Kennenlernen der Stadt eingenommen. Das Stadtradeln war eine meiner ersten Aufgaben. Infrastrukturelle Projekte haben unterschiedlich lange Zeitschienen. Viele Projekte stehen daher erst in den Kinderschuhen. Dennoch werden einige Veränderungen peu à peu im Stadtraum sichtbar. Aktuell wird im Stadtgebiet beispielsweise das Fahrradabstellangebot für Fahrräder und Lastenräder großflächig erneuert und ausgebaut. Die Innenstadt wurde in dem Zuge weiter verkehrsberuhigt – statt Parkplätzen auf dem Preetzer Markt finden sich neben zwei Parkplätzen für Menschen mit Behinderungen jetzt vor allem Fahrrad- und Lastenradbügel sowie eine verlegte Station der Sprottenflotte. Wir sind außerdem auf dem Weg, stadtweit das E-Ladesäulenangebot auszuweiten und sowohl weitere zentrale Orte als auch Wohngebiete mit Ladeinfrastruktur zu versorgen.
Haben Sie ein Herzensprojekt, das Ihnen besonders wichtig ist?
Ein konkretes Herzensprojekt bei der Vielfalt der Aufgaben habe ich nicht, aber ich kann mich stark für die Aufenthaltsqualität öffentlicher Räume begeistern – z. B. für die Umgestaltung des ZOBs oder kleinräumigen Neubetrachtungen Kfz-dominierter Straßen- und Stadträume. Mit solchen Maßnahmen lassen sich beiläufig die Bedingungen für den Fuß- und Radverkehr, den ÖPNV und das Stadtklima stärken.
Was bewegt die Menschen aus Ihrer Sicht, ihre Mobilität bzw. allgemein ihr Verhalten im Sinne von mehr Nachhaltigkeit zu ändern?
Indirekt, glaube ich, dass Vorbilder eine große Rolle spielen, anhand derer man inspiriert wird, sein Mobilitätsverhalten zu reflektieren und etwas Neues auszuprobieren bzw. einen Weg mal anders zu bewältigen, als es sich in der eigenen Routine eingeschlichen hat. Wenn es dann gute Mobilitätsangebote und gute Infrastrukturen gibt, stellt man im besten Fall fest, dass der Umstieg auf nachhaltige Mobilitätsformen sich gut mit den eigenen Bedürfnissen vereinen lässt und welche Vorteile es mit sich bringen kann. Die Vorteile können dabei die eigene Fitness durch die Bewegung sein oder dass man die Zugfahrt nebenbei für andere Beschäftigungen nutzen kann oder global betrachtet das Einsparen von CO₂.
Müssen Sie z. B. in Ihrem Alltag und privatem Umfeld noch oft erklären, was eine „Mobilitätsmanagerin“ ist?
Das kommt ganz darauf an … tatsächlich, außerhalb des Kreises meiner ehemaligen Kommiliton*innen beispielsweise, bekomme ich die Frage noch regelmäßig gestellt. Gleichzeitig machen sich in meinem Bekanntenkreis viele selbst schon einige Gedanken darüber, wie sie sich möglichst klimaschonend von A nach B bewegen können und haben ein Bewusstsein für das Thema. Die meisten haben also eine Idee davon, was der Sinn meiner Arbeit ist – nur, dass es jemanden braucht, der die Mobilitätswende kleinräumig aktiv gestalten und steuern muss, Angebote schaffen muss usw., ist für diejenigen trotzdem oft etwas Neues. Mobilität ist kein Selbstläufer, so sind viele überrascht, mit welchen Hebeln man eine umweltfreundliche, zukunftsgerechte Alltagsmobilität fördern kann und welche konkreten Maßnahmen hinter dem abstrakten Begriff der „Mobilitätswende“ stecken. Letztendlich hilft oft der Vergleich mit dem schon etwas bekannteren Klimaschutzmanagement, nur, dass der Themenfokus woanders liegt.
Was war Ihr wichtigstes Learning seit Sie Mobilitätsmanagerin sind?
Nicht allen gerecht werden zu können. Vielen fallen Veränderungen schwer und anderen gehen Veränderungen wiederum zu langsam. Apropos langsam, ein weiteres Learning war, nachzuvollziehen bzw. selber im Arbeitsalltag zu erfahren, warum Prozesse oft langwierig sind und was für komplexe Prozesse dahinterstehen.
Was ist Ihr Ratschlag an Mobilitätsbeauftragte, die ganz frisch ihre Stelle antreten?
Sich Zeit zu nehmen, ortsspezifisch einerseits die Rahmenbedingungen und andererseits Handlungsmöglichkeiten zu durchdringen, das macht es einfacher, sich auf Projekte zu fokussieren, die gut umsetzbar sind und nicht auf allzu viel Gegenwind stoßen. Sich nicht von der Fülle von Missständen im Bestand und Erfordernissen zur Förderung zukunftsgerechter Mobilitätsformen überschlagen zu lassen. Das kann sich nämlich anfühlen wie das berühmte Fass ohne Boden. In kleineren Kommunen besetzt man das Aufgabengebiet des Mobilitätsmanagements oft alleine, umso bedeutsamer ist es, Netzwerke zu nutzen, sich auszutauschen und aus Erfahrungen anderer zu schöpfen.
Wie sieht die Zukunft der Mobilität in Schleswig-Holstein aus? Was wünschen Sie sich?
Vor allem gut vernetzt. Eine umweltfreundliche Mobilität im ländlich geprägten Schleswig-Holstein steht und fällt mit einem guten ÖPNV in Verbindung mit modernen und vielseitigen Lösungen für die so genannte letzte Meile – insgesamt also multimodal und flexibel. Ich wünsche mir, dass sich Schleswig-Holsteiner*innen nicht in ihrer Mobilität eingeschränkt sehen und ihre Wege klimaneutral und dabei sicher, barrierefrei, bezahlbar und zuverlässig bewältigen können.
Wie bewegen Sie sich persönlich am liebsten fort?
Das kommt ganz auf den Anlass an, aber mein Fahrrad nutze ich im Alltag definitiv am meisten. Es geht aber auch nichts über einen ausgedehnten Spaziergang am Wasser. Für ganz weite Strecken bin ich leidenschaftliche Nachtzugfahrerin. Es gibt nichts Praktischeres, als am Abend in den Zug zu steigen und am nächsten Morgen ganz woanders aufzuwachen.
Was ist Ihr Lieblingsort in Schleswig-Holstein und wie kommt man dorthin?
Ganz allgemein das Meer. Ich tue mich schwer, mich auf einen bestimmten Ort festzulegen. Ein Ort, der mir besonders in Erinnerung geblieben ist, aber nicht am Meer liegt, ist das Naturschutzgebiet Stiftungsland Schäferhaus bei Flensburg. Eine kleine renaturierte Oase mit einem kleinen, wilden Trekkingplatz. Dort haben wir mal auf einer größeren Fahrradtour für eine Nacht unser Zelt aufgeschlagen.