Gefragt – gesagt mit Dagmar Lorenz

„Bei allen Mobilitätsformen geht es um Sicherheit, Barrierefreiheit und Spaß.“

Dagmar Lorenz bewegt was – in Steinbergkirche und darüber hinaus. Mit den „Zehn Zebras“ engagiert sie sich für bessere und grünere Wege, sichere Schulrouten und mehr Miteinander im Straßenverkehr. Im Interview berichtet die Mobilitätsaktivistin von ihrem Engagement, ihren Erfahrungen mit der Vernetzung anderer Initiativen – und verrät, was in Steinbergkirche für die kommende Europäische Mobilitätswoche geplant ist.

Frau Lorenz, wie genau engagieren Sie sich in Steinbergkirche – was machen Sie genau?

Am wichtigsten ist wohl mein Engagement bei den „ZehnZebras“. Mit dieser Mobilitätsinitiative rücken wir das Thema nachhaltige Mobilität in den Fokus. Wir haben zum Beispiel das Stadtradeln ins Dorf geholt und die Europäische Mobilitätswoche (EMW). Dass in unserer Gemeinde fast alle Bushaltestellen mit Fahrradanlehnbügeln ausgestattet sind, geht auf die Initiative der Zebras zurück. In unserem Dorf soll es für alle Verkehrsteilnehmenden sichere Wege und Möglichkeiten geben. So weisen wir auf Gefahrenlagen hin, sammeln Unterschriften, setzen uns für Tempolimits ein und werben die Mittel für Mitfahrbänke ein. Außerdem haben wir ein Lastenrad zur kostenfreien Ausleihe organisiert. Den sogenannten „Grizzly“ haben wir 2019 über einen Wettbewerb gewonnen – mit ganz viel Unterstützung aus der Gemeinde.

Um noch mehr erreichen zu können, bin ich auch im Ausschuss für Infrastruktur und Umwelt vertreten. Dort stellen wir Anträge für die Verbesserung der Verkehrssituation und setzen uns dafür ein, dass im Haushalt entsprechende Gelder eingeplant werden.

 

Wie hat sich Ihr Interesse an nachhaltiger Mobilität entwickelt, und was hat Sie dazu bewegt, sich in Steinbergkirche zu engagieren?

Der Verkehrssektor ist derjenige Sektor bei dem die Emissionen seit 1990 gleichgeblieben sind. Und gerade auf dem Land hat eigentlich jeder Haushalt mehr als einen PKW. Die Aussage „Ohne Auto auf dem Land geht nicht“ hat mich nachdenklich gemacht - und ich fing an, sie zu hinterfragen. In Steinbergkirche lebe ich seit über 40 Jahren, meine Kinder sind hier aufgewachsen und zur Schule gegangen, haben hier Radfahren gelernt. Es kam die Zeit, da war ich Elterntaxi, denn es gab einfach keine Alternative. Das wollte ich so nicht einfach hinnehmen. Mit den Zebras habe ich jetzt eine gute Möglichkeit, hier direkt vor Ort, aktiv für die Mobilitätswende einzutreten.

 

Wie sind die „Zehn Zebras“ entstanden – was steckt hinter dem Namen?

Welche Themen den Menschen in Steinbergkirche wichtig sind, zeigte sich bereits 2018 bei einem Workshop im Rahmen der Bürgerbeteiligung zum Städtebaukonzept. Neben der ärztlichen Versorgung und einem Bürgerzentrum wurde Mobilität am häufigsten genannt. So entstand eine Gruppe von Mobilitäts-Aktivist*innen. Unsere erste Aktion fand mitten im Dorf an der Bundestrasse statt. Dort fehlt eine sichere Querung für Fußgänger und Radelnde. Um auf das Problem aufmerksam zu machen, haben wir uns kurzerhand als Zebras verkleidet, einen lebendigen Zebrastreifen gebildet und dabei Unterschriften für die sichere Querung gesammelt. Die „Zehn Zebras“ sind dann aus einer Wortspielerei hervorgegangen: Zehn Zebras zeigen Zukunft.

 

Welche Ziele verfolgt die Initiative, und welche Projekte liegt Ihnen am meisten am Herzen?

Das Hauptziel ist die Vermeidung von CO₂-Emissionen, und das wollen wir durch die Mobilitätswende erreichen. Die sichere Mobilität für alle, vor allem für die schwächsten Verkehrsteilnehmer*innen ist uns ebenfalls sehr wichtig. Ein Projekt, das wir weiterhin auf unser Agenda haben: Ein Tempolimit und Überholverbot sowie eine sichere Querung im Bereich der dänischen Schule Hattlund an der B 199.  Von Seiten der Schule und der Elternschaft wird hier bereits seit vielen Jahren vergeblich mehr Sicherheit für den Schulweg gefordert. Sogar kreative Aktionen wie eine „Tempo 70 Strohpuppe“ konnten die zuständige Straßenverkehrsbehörde nicht dazu bewegen, hier ihren Ermessenspielraum auszuschöpfen. Wir bleiben dran und hoffen auf prominente Unterstützung aus dem Ministerium für Wirtschaft und Verkehr.

 

Welche Erfahrungen haben Sie mit der Vernetzung von Initiativen und dem Austausch mit anderen Gemeinden gemacht?

Sehr gute! Wir haben beispielsweise eine sehr inspirierende und konstruktive Kooperation mit dem Verein „BobenOp“ aus Hürup. Mit „BobenOp“ haben wir die Bürger-Mobilitätsberatung „Clever unterwegs“ durchgeführt, schöne Feste gefeiert und tolle Radtouren organisiert. Auch mit der „Rad AG“ aus Sörup sind wir im guten Austausch, und mit Steinberg hatten wir einmal eine Aktion zum „Shared Space“: Dabei ging es darum, die Straße einmal anders nutzen. Bei der EMW 2024 waren wir das Ziel einer Fahrrad-Sternfahrt aus 13 anderen Gemeinden. Der Austausch mit den anderen Kommunen ist wichtig, denn die Mobilität hört ja nicht an der Gemeindegrenze auf. Die Radwege müssen weiter geplant, der ÖPNV flächendeckend mitgedacht werden. Über das Projekt „bewirk“ der Heinrich-Böll-Stiftung waren wir dann landesweit mit anderen Akteuren vernetzt und haben dort die sehr wertschätzende Möglichkeit erhalten, ein professionelles Video über die Zebras drehen zu lassen. Und seit diesem Jahr sind wir als Gemeinde im landesweiten Mobilitätsnetzwerk move.sh vertreten. Davon versprechen wir uns sehr viel, denn es ist für uns als ehrenamtlich Tätige sehr hilfreich, wenn wir uns gegenseitig unterstützen und Tipps geben.

 

Was raten Sie Menschen, die in ihrer eigenen Kommune eine ähnliche Initiative starten möchten?

Einfach anfangen – das ist der wichtigste Schritt. Den Spaßfaktor nicht vergessen, denn der trägt viel zur Motivation bei. Man sollte auch darauf gefasst sein, dass es Widerstände geben kann – und trotzdem nicht lockerlassen. Hilfreich ist es, wenn es einen konkreten Anlass gibt, an dem man das Thema aufhängen kann.

 

Ihr konkreter Tipp für Kommunen?

Kommunen sollten freiwillige Initiativen aktiv unterstützen und deren Engagement als wertvollen Impuls verstehen - nicht als Störung.

 

Ihr konkreter Tipp für Mobilitätsbeauftragte?

Stellen Sie sich ein motiviertes, interdisziplinäres Team zusammen und verlieren Sie niemals die Geduld. 

 

Was bedeutet Mobilität für Sie?

Mobilität, das ist Freiheit, soziale Teilhabe aber auch Notwendigkeit. Ich muss zur Arbeit, zum Einkaufen oder mal zum Arzt. Die Kinder müssen in die Kita, in die Schule, in die Uni. Wir wollen aber auch einen Ausflug machen, ins Konzert gehen oder Freunde und Verwandte besuchen. Da müssen und wollen wir alle irgendwie hinkommen. Das “Irgendwie“ ist eben nicht egal, es muss nachhaltig, erreichbar und bezahlbar sein – da gibt’s noch bisschen was zu optimieren.

 

Wie bewegen Sie sich am liebsten fort?

Mit dem Fahrrad!

 

Welches ist Ihr persönlicher Lieblingsort in Schleswig-Holstein und wie kommen Sie dahin?

Da gibt es viele. Sehr gerne bin ich auch auf der Geltinger Birk. Das ist für mich sehr gut mit dem Rad, mit dem Shuttle von SMILE24, mit dem Flow Car oder mit der Mitfahrbank erreichbar.

 

Stichwort Europäische Mobilitätswoche (EMW): Wie engagieren Sie sich und die Gemeinde Sternbergkirche hier? Was ist für 2025 geplant?

An der EMW beteiligen wir uns seit 2020 mit unterschiedlichen Formaten. Es gab bisher Filme im Dorfkino, thematische Radtouren oder Fahrradsternfahrten, E-Mobilität zum Ausprobieren, Straßenfeste, Podiumsdiskussionen und thematische Sparziergänge zur Barrierefreiheit.  In diesem Jahr sind wir gespannt darauf, was in der EMW-Box sein wird, die wir von move.sh bekommen. Erstmals machen wir auch mit der Grundschule in unserer Gemeinde gemeinsame Aktionen: einen Mobilitäts-Check mit den Schülerinnen und Schülern, außerdem den Aktionstag „zu Fuß zur Schule“ und eventuell richten wir im Aktionszeitraum eine temporäre Schulstraße ein. Dazu wird es wieder ein Dorfkino und Radtouren geben und mit dem Seniorenbeirat soll der beliebte Barrierefreiheit Spaziergang angeboten werden. Auch die neu ausgeschilderten Wanderrouten sollen zu Fuß erkundet werden.

 

Wo finden Mobilitätsaktivistinnen und -aktivisten wie Sie Gleichgesinnte – und wie wichtig ist Vernetzung für Ihre Arbeit?

Vernetzung ist alles! Gleichgesinnte trifft man bei kleinen lokalen Aktionen oder auf den größeren Kongressen wie beispielsweise der „Fachtagung Radverkehr“ des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums oder der „Kommunale Fachkongress Mobilität“ von mobiliteam by NAH.SH. Es gibt zahlreiche Anbieter und Plattformen, die das Thema nachhaltige Mobilität bedienen und dort finden sich die aktiven und engagierten Menschen. Beispiele sind das Mobilitätsforum vom BUND oder mobiliteam by NAH.SH, das Bildungszentrum für Natur, Umwelt und ländliche Räume (BNUR) hat ebenfalls Mobilität im Angebot, oder Rad.SH sowie die vielen regionalen Klimaschutzbüros.

 

Gibt es eine Erfahrung oder Begegnung im Rahmen Ihres Engagements, die Sie besonders bewegt hat?

Da gab es erfreulicherweise viele besondere Erlebnisse und ich bin ganz tollen Menschen begegnet.

 

Wie sehen Sie die Zukunft der Mobilität in ländlichen Regionen wie Steinbergkirche?

Es wird flächendeckende On-Demand-Systeme geben, die bedarfsorientiert und flexibel die Mobilitätswünsche erfüllen, natürlich CO₂-neutral. Elterntaxis braucht niemand mehr und auch keine zwei  Autos pro Haushalt, denn es gibt überall Nachbarschafts-Carsharing. Die Mitfahr-App ergänzt das Angebot und fördert Fahrgemeinschaften. Einkäufe werden oft mit Lastenrädern erledigt, diese können problemlos auf den gut ausgebauten Radwegen fahren. Die Kinder sind viel selbständiger, weil sie mit dem Fahrrad oder Roller sicher unterwegs sein können. Für weitere Strecken nutzen sie das eng getaktete Shuttle System mit dem kostenfreien Ticket.

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