Gefragt – gesagt mit Miriam Dross

Portrait von Miriam Dross

„Es ist am wichtigsten, sich zu vernetzen und von anderen zu lernen“

Mobilität ist der Beruf von Miriam Dross. Dabei bewegt sie einiges, in Stadt und auf dem Land. Im Interview spricht sie über Hebel und Hindernisse der Mobilitätswende. Und natürlich über die Europäische Mobilitätswoche.

Frau Dross, schön, dass Sie sich Zeit nehmen. Was genau machen Sie und seit wann?

Im Umweltbundesamt leite ich das Fachgebiet „Nachhaltige Mobilität in Stadt und Land“, in dem auch die Koordinierungsstelle der Europäischen Mobilitätswoche angesiedelt ist.

Was genau steckt hinter der Europäischen Mobilitätswoche?

Die Europäische Mobilitätswoche (EMW) wurde von der EU-Kommission ins Leben gerufen, um die nachhaltige und aktive Mobilität in europäischen Städten und Gemeinden zu fördern. Sie findet jedes Jahr vom 16. bis 22. September in ganz Europa statt. Allein in Deutschland waren letztes Jahr 188 Kommunen dabei. Die Kampagne soll für die Mobilitätswende begeistern und die Lebensqualität in Städten und Gemeinden erhöhen.

Im Rahmen der EMW engagieren sich Kommunen, aber auch Verbände und Vereine vor Ort für umweltfreundliche Mobilität. Auch soziale und Bildungseinrichtungen, Kulturschaffende oder Unternehmen können aktiv werden.

Während der EMW gibt es viele verschiedene Aktivitäten: Kommunen geben Parkplätze und Straßenraum zum Spielen und für Begegnungen frei, weihen neue Fuß- und Radwege ein, bieten Verkehrssicherheitstrainings oder Sharing-Angebote und Elektroautos zum Ausprobieren an. Es werden Lastenrad-Rennen veranstaltet und Pendlertüten mit Brötchen verteilt. Die Möglichkeiten sind fast unbegrenzt. Allen gemeinsam ist, dass man in dieser Woche erleben kann, wie nachhaltige Mobilität vor Ort aussieht. Davon profitieren die Menschen und die Aufenthalts- und Lebensqualität in Städten und Gemeinden steigt.

Gibt es eine kommunale Aktion oder ein Projekt, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist? Wenn ja, warum?

Es gibt so viele verschiedene bunte EMW-Aktionen, dass es gar nicht möglich ist, eine Einzelne herauszugreifen. Unser EMW-Film „Lebendige Straßen: Verkehrsversuche & Spielstraßen“ hat zum Beispiel Impressionen aus dem Jahr 2023 eingefangen.

Auch die Europäische Kommission prämiert Kommunen und Aktionen aus ganz Europa und steht jedes Jahr vor der Herausforderung, einzelne auszuwählen. Ich persönlich finde es besonders spannend, wenn Straßen und Plätze temporär umgenutzt werden. Statt dort Autos zu parken, wird gespielt, verweilt und diskutiert. Das regt die Phantasie der Menschen an und sie fragen sich, ob der Straßenraum nicht besser gemeinsam genutzt werden kann – was auch das Thema der diesjährigen EMW ist! In Schleswig-Holstein ist für mich persönlich das autofreie Straßenfest mit dem Movimento-Musikumzug in Norderstedt ein tolles Beispiel dafür, wie bunt und fröhlich die EMW sein kann.

Was bedeutet Mobilität für Sie?

Mobilität ist mehr als Verkehr! Mobil bin ich, wenn ich meine Bedürfnisse befriedigen und meine Ziele erreichen kann. Das kann auf vielfältige Art und Weise passieren: zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem Bus – und natürlich wo nötig auch dem Auto, am besten mit einem Elektroauto und vielleicht sogar einem Carsharing-Fahrzeug. Durch die Art unserer Fortbewegung gestalten wir jeden Tag die Welt ein Stückchen mit. Wir können zum Beispiel auf dem Rad etwas für unsere Gesundheit tun, in der Bahn die Zeitung lesen und mit unserer Kollegin plaudern. Wichtig ist auch, dass alle mobil sein und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können – auch Kinder, Ältere und Menschen mit geringem Einkommen oder im Rollstuhl. Gerade auf dem Land ist es eine Herausforderung, denn auch dort hat nicht jede*r ein Auto und Ältere müssen zum Beispiel sicher sein können, pünktlich zum Arzt zu kommen.

Hat der Wandel hin zu einer nachhaltigen Mobilität schon begonnen bzw. in welcher Phase befindet er sich derzeit?

Die Verkehrswende ist ein Prozess, der viele Schritte erfordert. Wichtig sind die großen Hebel, um den Klimawandel zu bekämpfen, also dass so bald wie möglich nur noch Elektroautos auf den Straßen fahren und Verkehr auf die Schiene verlagert wird. Aber die Mobilitätswende bedeutet auch, dass alle nachhaltig mobil sein können. Aus Perspektive der EMW wollen wir auch die Schritte anregen, die nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch für Gesundheit und Bewegung, soziale Kontakte, für die Verkehrssicherheit und den Schutz vor Lärm wichtig sind! All diese Ziele können wir erreichen, wenn wir Fahrrad fahren, zu Fuß gehen und Bus- und Bahnfahren fördern. Und nicht zuletzt gewinnen unsere Städte und Gemeinden durch weniger und langsameren Verkehr enorm an Lebensqualität.

Was sind die größten Hindernisse bei der Mobilitätswende?

Es gibt viele Hindernisse – ein Beispiel sind die umweltschädlichen Subventionen für den Verkehr in Höhe von 31 Mrd. Euro im Jahr 2018. Würde man diese abschaffen, hätte man viele Mittel zur Verfügung, um die Mobilitätswende zu fördern, seien es die nötigen Investitionen in die Bahn und marode Brücken oder den Rufbus und On-demand-Verkehre auf dem Land. Auch das geltende Straßenverkehrsrecht ist ein großes Hemmnis und schränkt die Handlungsfreiheit von Städten und Kommunen sehr ein. Wenn sie eine Tempo-30 Zone oder einen neuen Radweg einrichten wollen, stoßen sie auf erhebliche Schwierigkeiten.

Wie schätzen Sie die Mobilitätsangebote ein, die es generell auf der kommunalen Ebene, vor allem im ländlichen Raum, gibt?

Ein gut ausgebauter und attraktiver ÖPNV ist das Rückgrat der Verkehrswende – auch auf dem Land. Dort braucht man außerdem auch Carsharing und Verkehrsangebote, die flexibel sind und mit denen man am Wochenende zur nächsten Regionalbahn oder zum Kaffeetrinken in den Nachbarort kommt. Eine große Rolle spielen im ländlichen Raum außerdem Schnellbus-Linien. Ein tolles Angebot ist zum Beispiel die SMILE24, das von NAH.SH und den Kreisen Rendsburg-Eckernförde und Schleswig-Flensburg zusammen umgesetzt wird. Neue Mobilitätsangebote und eine verbesserte ÖPNV-Qualität im ländlichen Raum sollen da an der Schlei entlang die Mobilität der Menschen sicherstellen – ohne eigenes Auto. Wichtig ist, dass solche Angebote über die Modellphase hinaus fortgeführt werden.

Was muss geändert bzw. verbessert werden, damit Menschen die Mobilitätsangebote abseits des privaten Autos vermehrt nutzen? In welchem Bereich sehen Sie den größten Handlungsbedarf?

Es muss ein attraktives und bezahlbares Angebot mit Bussen und Bahnen vorhanden sein – gerade im ländlichen Raum und dort besonders für Kinder, Ältere und in ihrer Mobilität eingeschränkte Personen. Es muss dort sicher möglich sein mit dem Fahrrad und zu Fuß unterwegs zu sein, zum Beispiel in der Kleinstadt oder zum Nachbarort. Da muss noch viel für die Rad- und Fußwege getan werden, damit alle Freude an der aktiven Fortbewegung haben. Es ist aber auch nötig, dass allen klar ist: Die ausschließliche Ausrichtung auf Auto, das mit einem Verbrenner-Motor fährt, werden wir uns nicht mehr leisten können. Gerade in kleineren Städten und in Dörfern ist es viel unkomplizierter, Platz für eine Ladestation fürs Elektroauto zu realisieren. Das sollte man nutzen, damit die eigenen Kosten dafür, dass man mobil ist, einem nicht irgendwann über den Kopf wachsen.

Welche konkreten Tipps geben Sie Kommunen an die Hand, die mit geringen Mitteln Ideen umsetzen möchten?

Nach meiner Erfahrung ist es am wichtigsten, sich zu vernetzen und von anderen zu lernen. Fast alles ist schon mal irgendwo ausprobiert worden! Gerade Netzwerke wie die Europäische Mobilitätswoche im UBA, das Nationale Kompetenznetzwerk für nachhaltige Mobilität (NaKoMo) und die Mobilitätsnetzwerke der Länder wie das mobiliteam in Schleswig-Holstein sind wichtig. Sie geben Erfahrungen weiter und beraten auch bei der Beantragung von Fördergeldern. Vor allem würde ich alle Kommunen ermutigen: Einfach machen und Dinge ausprobieren!

Wie bewegen Sie sich persönlich am liebsten fort und warum?

Ich bin multimodal unterwegs! Ich nutze die Regionalbahn für den Arbeitsweg, das Fahrrad in der Stadt und gehe zu Fuß zum Einkaufen. Ein Auto braucht man bei uns in der Großstadt praktisch nie – da bin ich sehr privilegiert.

Was ist Ihr Lieblingsort und wie kommt man dort hin?

Diese Frage ist wirklich schwer zu beantworten. Mit Schleswig-Holstein verbinde ich schöne Kindheitserinnerungen, zum Beispiel eine Klassenfahrt nach Glücksburg in der Grundschule oder ein Urlaub in Plön. Schon direkt vor den Toren von Hamburg wohnen Verwandte von mir – in Ahrensburg, wo es wunderschön ist! Mein nächstes Reiseziel wird Schleswig sein. Ein Freund von mir ist dort hingezogen und freut sich über die Ruhe und die tolle Natur vor der Haustür. Er hat mir eine Fahrradtour an der Schlei versprochen – da war ich noch nicht. Vielleicht wird das auch ein neuer Lieblingsort in Schleswig-Holstein.

Hinweis der Redaktion:

Alle Kommunen, die sich über die Europäische Mobilitätswoche informieren wollen, finden auf youtube.com ein kurzes informatives Video

 

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