„Das größte Hindernis ist unser Festhalten an Gewohntem“
Dr. Klaus Wortmann ist Projektleiter und Prokurist bei der Gesellschaft für Energie und Klimaschutz Schleswig-Holstein GmbH (EKSH) und leitet die Energieolympiade samt MobiltätsPreis. Im Interview spricht er über Hindernisse der Mobilitätswende und über die Wichtigkeit, voneinander zu lernen.
Herr Wortmann, schön, dass Sie sich Zeit nehmen. Was genau machen Sie und seit wann?
Ich bin Projektleiter und Prokurist bei der EKSH. Wir fördern vor allem Wissenschaft und Hochschulen bei der Entwicklung von Lösungen für den Klimaschutz, haben aber auch Kommunen und Gesellschaft im Blick. Themen, die bei mir angesiedelt sind, passend zu meinem Hintergrund als Sozial- und Umweltpsychologe. Oft geht es dabei um die Frage der Veränderungsbereitschaft.
Was genau ist die EnergieOlympiade – was der MobilitätsPreis?
Die Olympiade ist der kommunale Wettbewerb für herausragende Klimaschutzprojekte in Schleswig-Holstein. Seit 2007 rufen wir Kommunen zur Teilnahme auf. Seit 2017 haben wir die Disziplin Themenpreis immer auf Mobilität fokussiert. Folgerichtig loben wir nun gleich erstmals den MobilitätsPreis als eigene Disziplin aus. Das Thema ist einfach zu bedeutend für kommunalen Klimaschutz. Alle eingereichten Projekte finden sich in unserer Projektdatenbank. Diese dient der Recherche, hat aber auch langfristig einen enormen Nutzwert: Wir wollen die guten Projekte schnell verbreiten helfen und Mut machen durch die vielen Beispiele, die es schon gibt.
Warum sollten Kommunen unbedingt mitmachen?
Zunächst ist da das Preisgeld zu nennen, insgesamt 100.000 Euro, die im Rahmen der EnergieOlympiade ausgeschüttet werden. Der eigentliche Anreiz besteht aber darin, anderen zu zeigen, was man Spannendes gemacht hat, das für andere Kommunen nachahmungswürdig wäre. Aber auch die verdiente Anerkennung: Wir wollen den guten Taten eine Bühne geben und zum Nachmachen und selbst aktiv werden ermutigen. Und wer unsicher ist, ruft mich einfach an. Ich helfe dabei, das Projekt für die Jury glänzen zu lassen! Es ist auch eine gute Übung, die eigenen Leistungen positiv zu präsentieren.
Gibt es ein Projekt im Rahmen des MobilitätsPreises, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist? Wenn ja, warum?
2021 gab es ein Projekt des Kreises Pinneberg, bei dem man die gesamte Fahrzeugflotte auf einen Schlag auf Elektrofahrzeuge umgestellt und dabei auch noch ein digitales Buchungstool eingeführt hatte. Das Projekt hatte zuerst bei uns auf Landesebene und später dann auch noch auf Bundesebene gewonnen. Sie finden dazu ein Video auf www.energieolympiade.de (Archiv/Siegerehrung 2021/Themenpreis).
Bewerbungsstart war der 1. September – Ihr Tipp für Kommunen?
Alle Kommunen in Schleswig-Holstein sind zum Wettbewerb aufgerufen. Fragen Sie sich: Was haben wir in den letzten zwei Jahren Spannendes gemacht, was haben wir vielleicht noch in petto? Hier darf man auch in die Zukunft denken. In der Projektdatenbank sieht man schnell, was bisher an tollen Projekten eingereicht wurde. Sie haben ein Projekt, das ebenfalls gut oder sogar besser ist? Dann unbedingt her damit! Sie haben Zweifel, ob Ihr Projekt geeignet ist? Dann einfach kurz anrufen und wir schauen uns das gemeinsam an, ich gebe gern eine erste Einschätzung!
Was bedeutet Mobilität für Sie persönlich?
Mobilität ist zentraler Bestandteil von Freiheit. Die Möglichkeit, sich an Orte zu begeben, an die man möchte – das ist ein Gefühl von Freiheit. Das ist angesichts des Klimawandels nicht mehr vorbehaltlos immer und überall guten Gewissens möglich, aber wenn man es bewusst macht, gibt es gute Wege. Für Senioren beispielsweise ist es besonders wichtig, Mobilität so lange wie möglich zu erhalten und zu fördern.
Hat der Wandel hin zu einer nachhaltigen Mobilität schon begonnen bzw. in welcher Phase befindet er sich derzeit?
Natürlich hat er begonnen. Wir haben Velorouten, Rückbau von Parkplätzen, Neugewinnung von Flächen für andere Zwecke als Verkehr. Wir merken gerade erst, wie viel Fläche wir der individuellen motorisierten Mobilität gegeben haben. Aber Fortschritt ist eben eine Schnecke und das trifft auch auf Mobilität zu. Wir sind bereits auf dem Weg zu einer verbesserten Mobilität, besserer Luft, weniger Lärm. Wir sind noch am Anfang. Aber an einem fortgeschrittenen Anfang. Das Gras wächst aber nicht schneller, wenn man daran zieht. Es sind komplexe Aushandlungsprozesse im Gange und sie bleiben auch in den nächsten Jahren komplex.
Was sind die größten Hindernisse bei der Mobilitätswende? Und wie helfen die EnergieOlympiade und der MobilitätsPreis, diese zu überwinden?
Das größte Hindernis ist unser Festhalten an Gewohntem. Unsere Unwilligkeit, Routinen zu ändern. Wir müssen erst von Alternativen überzeugt werden, bevor wir etwas Neues probieren. Das sieht man am deutlichsten am Individualverkehr. Wir selbst und unsere Einstellung sind der Hebel. Hier setzt der MobilitätsPreis an: Kommunen sind aufgefordert, ihre Projekte zu zeigen und für andere eine Orientierung und Hilfestellung zu sein, die vor dem gleichen Problem stehen und nach Lösungen suchen. Hier geht es ums Machen und um gangbare Lösungen.
Was muss geändert bzw. verbessert werden, damit Menschen die Mobilitätsangebote abseits des privaten Autos vermehrt nutzen? In welchem Bereich sehen Sie den größten Handlungsbedarf und die größten Hebel?
Es müssen praktikable Alternativen geschaffen werden. Die Politik arbeitet daran, etwa mit dem Deutschlandticket zu einem hoffentlich auch zukünftig günstigen Preis. Steuerpolitisch müsste nachjustiert und der Flächenverbrauch von Autos stärker berücksichtigt werden. Die Politik sollte den Mut haben, stärkere Anreize für Gemeinschaftlichkeit zu setzen. Auch die Stadt- und Infrastrukturplanung sind gefragt. Und das alles, ohne die Menschen in den ländlichen Räumen hängenzulassen. Viele können im Moment nur mit dem Auto fahren. Eine funktionierende Infrastruktur ist Voraussetzung für Veränderung. Pilotprojekte und der Mut, Neues auszuprobieren sind hier sehr wichtig, wie beispielsweise SMILE24 in der Schleiregion.
Welche konkreten Tipps geben Sie Kommunen an die Hand, die mit geringen Mitteln Ideen umsetzen möchten – auch abseits der Olympiade?
Auch hier: Unsere Datenbank liefert etliche tolle Ideen, für kleinere Projekte mit geringen Mitteln haben wir eine eigene Disziplin. Grundsätzlich müssen effektvolle Projekte nicht die Welt kosten, schon Ermutigung zur Verhaltensänderung durch Veranstaltungen und Informationen können viel bewirken. Ein kleines, aber pfiffiges Beispiel ist der Seniorenführerschein für den ÖPNV in Bad Bramstedt (eingereicht 2021). Das Projekt hat Senioren geholfen, mit dem Ticketsystem zurechtzukommen und so ihre Scheu vor dem ÖPNV zu verlieren. Ein anderes Beispiel ist der 2021 prämierte interaktive ÖPNV-Liniennetzplan im Kreis Plön.
Wie bewegen Sie sich persönlich am liebsten fort und warum?
Ich mag Bewegung sehr und bin daher leidenschaftlicher Zu-Fuß-Geher und Radfahrer. Mit dem Rad bin ich schnell und kann die Umwelt wahrnehmen, vor allem die längeren freien Strecken machen einfach Spaß, wie meine Veloroute in Kiel, die ich glücklicherweise als Arbeitsweg nutzen kann.
Was ist Ihr Lieblingsort in Schleswig-Holstein und wie kommt man dort hin?
Das Meer! Ich habe das Glück, dort mit meiner Frau im Sommer segeln zu können, gern nach Dänemark, und freue mich über die enge Verbindung Schleswig-Holsteins mit dem Meer und als Kieler über den sehr guten Zugang zur Ostsee. Mit dem ÖPNV oder Rad kommt man leicht an verschiedene Strände. Und auch die Kieler Fährlinien sind eine tolle Möglichkeit, zum Beispiel vom Bahnhof nach Laboe zu fahren. Oder auch von Reventlou zur Schwentine – vollelektrisch und übrigens auch in der EnergieOlympiade 2021 prämiert!